Platz 40: Grizzly Bear „Veckatimest“
Die Musikpresse hatte im November / Dezember nur noch diesen einen Liebling. Grizzly Bear. Was die Fleet Foxes letztes Jahr waren, ist das sonderbare „Veackatimest“ in diesem Jahr. Verschlungene Melodien, flockig-knarzige Instrumentation und entrückter Falsettgesang sind die Zutaten für dieses wirre, aber bildschöne Album. Man braucht Zeit damit. Deshalb erstmal Platz 40.
Platz 39: Drogonette „Fixing To Thrill“
„Mach mal lauter“. Elektropop mit Frauenstimmen. Das ging auch in diesem Jahr mit großem Getöse weiter. Die Ting Tinas, La Roux, The Sounds, Gossip… Ein guter Sound und das richtige Gefühl für Hits. Dragonette aus Kanada ist ein Vertreter, der erst spät im Jahr dazu kam. Der Titelsong sowie „Pick Up The Phone“ sind dringende Anspieltipps.
Platz 38: Arctic Monkey: Humbug
Der New Waffe Boom kam 2009 endgültig ins Stocken. Einfache Riffs, freundliche Jungs und schwarz-weiße Sneaker – die Zeiten sind vorbei. Und so haben sich auch die Arctic Monkeys, einst das erste richtige Internet-Wunder, so ihre Gedanken gemacht.. Heraus kam eine beachtenswerte, reife Platte. Allerdings auf Kosten der Hits. Trotzdem: „Humbug“ ist eine lobenswerte Fortentwicklung und kann stolz auf seinen 38. Platz sein.
Platz 37 Julian Casablancas „Phrazes For The Young“
Der letzte Stroke, der sich auch mal um sich selbst kümmert. An Julian Casablancas „Phrazes For Young“ kann man sich reiben: Besonders abwechslungsreich kommen die gerade mal acht Songs nicht daher. Aber: An der Coolness und Authentizität Casablancas gibt es keinen Zweifel. Und so ist die Platte eine willkommene Beschäftigung bis 2010 – im Frühjahr soll es nämlich wieder ins Studio gehen. Gemeinsam.
Platz 36: White Lies „To Lose Myself“
Ach herrlich. Indie-Pop in Groß mit einem Riesenkoffer Schwermut. Die White Lies liefern überraschend gutes Songwriting mit Mut zu großen Gesten. Dass sie dabei sehr interpolig, ziemlich editorisch und natürlich joydevisionisch klingen: Geschenkt.
Platz 35: Danger Mouse And Sparklehouse „Dark Night Of The Soul“
Wohl die Musikbusiness-Anekdote des Jahres. Die Experimentierexperten Danger Mouse und Sparklehouse haben ein großartiges All Star Indie Feature – Album aufgenommen. Und sich dann mit der EMI gestritten. Das Ergebnis: „Dark Night Of The Soul“ ist nicht im Handel erhältlich. Jedenfalls nicht die Musik. Verkauft wird ein Bildband, der stolze 170 Euro kostet. Diesem beigelegt ist eine Leer-CD. Und mit der darf man dann ins Internet und sich die Musik dann selbst dazu suchen. So kurios die Geschichte ist, so emfehlenswert die abwechlsungsreiche, tiefdunkle und manchmal verwinkelte LP. Googlen. Brennen. Hören.
Platz 34: Lilly Allen „It’s Not Me It’s You“
Als hätten wir uns thematisch hier verabredet. Auch die zum echten Gala-Sternchen gereifte Lilly Allen hatte Beef mit dem Musik-Business. Aber eigentlich eher mit den bösen Raubkopierern. Die würden nämlich aufsteigende Künstler um ihr Geld bringen. Lilly ist 23. Und nun ein richtiger Popstar. Mit Kneipentouren, Drogenproblemen und Fan-Bashing. Aber – und deshalb ist sie hier – sie hat ein tolles Pop-Album rausgebracht. „It’s Not Me It’s You‘ strotzt gerade zu vor Hookline-Kompetenz. Das ganze ist nicht nur gut gemacht, sondern auch noch schön zu hören.
Platz 33: Editors „In This Light And On This Evening“
Auch die Editors konnten mit ihrem 2009er Release noch einmal eine Schippe drauflegen. Eine Schippe mehr Traurigkeit, eine Schippe mehr Existenzangst, eine Schippe mehr herausgerufene Einsamkeit. Das in dunklem Blau komponierte Gesamtwerk „In This Light…“ ist das bislang beste Album der Birminghamer Trauerklöße.
32. Jay Z „The Blueprint 3.0“
Warum sollte man sich umständlich mit Hip Hop beschäftigen, wenn man doch einfach nur ein Album kaufen muss und den aktuellen Stand des Genres umfassend geist- und gestenreich erklärt bekommt? Jay Z hält das Zepter der schwarzen, popkulturellen Avantgarde fest in seiner Faust und reckt es lässig in die Höhe. „The Blueprint 3.0“ ist das, was man erwartet hat: Ein großer opulent behängter Koloß, breitschultrig und von einer fast schon beängstigenden Treffsicherheit.
Platz 31: Calvin Harris „Ready For The Weekend
Beim Volke beliebt, von der Kritik verschmäht – damit musste Herr Harris 2008 leben. Mit „Ready For The Weekend“, so scheint es, wollte der Brite die Fronten versöhnen. Es ist ihm nicht ganz gelungen. Zwar kann man sich auch bei dieser Platte wieder auf einige Hits verlassen, die Liebe zu in Deutschland produzierten 90er Jahre Techno teilt Calvin Harris aber nur mit sich selbst.
Platz 30: Oliver Koletzki „Großstadtmärchen“
2009 war kein besonders gutes Jahr für die Abteiung „Domestic“. Allein Oliver Koletzki stach mit seinem Berlintribut „Großstadtmärchen“ angenehm aus dem Einheitsbrei heraus. Mit dem großartigen „U-Bahn“ schafft er es sogar in der Songwertung in die Top 20 (demnächst an selber Stelle). Kühle Eleganz, Elektronik in geregelter Bahn, wärmende Beats – Oliver Koletzkis Soundmaschine hat das alles und führt es klug zusammen.
Platz 29: Peter Fox „Stadtaffe“
Das deutsche Covergirl des Musikjahres ist zweifelsohne Peter Fox. Breitenwirksam wurde sein „Alles Neu“ zu Jahresbeginn von einem großen Privatsender als Erkennungsmarke in das Vorabendprogramm gedrückt. Und sonst macht „Stadtaffe“ vor allem Spaß. So wie eigentlich alles, was aus der Hand des Fuchses das Aufnahmestudio verläßt. Das erste Soloalbum regelte ein wenig die Seeed-typischen Raggae-Rhythmen herunter und macht somit mehr Platz für Peter Foxes feines Gereime.
Platz 28: Muse „The Resistance“
Jammern, Jaulen, Jodeln. Bei Muse möchte man immer ein bißchen die Nase rümpfen. Die meinen das ernst. Todernst. Andererseits: Wer meint es denn heute überhaupt noch ernst? Und ist Ernstmeinen nicht vielleicht sogar manchmal ein bißchen erstrebenswert? „The Resistance“ als Album und auch das Konzert als Konzert war ein Erlebnis. Da muss man den Hut ziehen. Die Jungs beherrschen ihren Job. Das sitzt perfekt, wackelt nicht und hat keine Luft. Kein Album, das man sich immer wieder anhören möchte. Aber eins, das den Platz 28 verdient.
Platz 27: Ladyhawke „Ladyhawke“
Australien, Australien! Mit Ladyhawke brachte der kleine Kontinent in diesem Jahr neben Empire Of The Sun und den Presets schon wieder einen beachtenswerten Act hervor. Geradeaus und ein bißchen blinkend kommen die Songs aus dem selbst betitelten Debut daher. Da geht einem das Herz auf. Vor allem bei „Paris Is Burning“ und „My Delirum“. Ganz fein gemacht.
Platz 26: Charlotte Gainsbourg „IRM“
Wohl eine der letzten Veröffentlichungen in 2009. Seit Antichrist muss man bei dem Namen Charlotte Gainsbourg die Hand schützend vors Gemächt führen. Und dann kollaboriert sie auch noch mit dem Herrn Beck, den man seit dessen Scientology-Outing auch nicht mehr so richtig mag. Madame hat es jedenfalls geschafft, dass wenn man ihren Namen liest, längst nicht mehr an den Schwerenöter-Papa denkt. „IRM“ ist nach dem Air-Debut schon wieder ein handwerklich hervorragendes Album geworden.
Platz 25: Data „Skywriter“
Platz 24: Yuksek: „Away From The Sea“
Eines der großen Themen 2009 war Disco. As in Disco. Die tiefergelegte, wuchtigen und aneckenden Bässe von Justice wurden in diesem Jahr ein wenig abgeschliffen. Und in Frankreich hat sich mittlerweile scheinbar eine Daft-Punk-Gedächtnis-Gemeinde gebildet. Data gehören dazu und Yuksek. Beide drehen aufgeregt an ihren Reglern und funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip: Man komponiere einen lupenreinen Popsong und motzt ihn nach allen Regeln der DJ-Kunst auf.
Platz 23: Athlete „Black Swan“
Selten kommt es vor, dass man eine Band liebt, dann mit großen Erwartungen und langer Weile ein neues Album hört, frustriert bis genervt ist und sich dann mit viel gutem Willen die noch neuere Veröffentlichung nach noch längerer Weile anhört – und sich dann wieder fühlt wie ganz am Anfang. So geschehen bei den Ex-Lieblingen Athlete, deren Tourist eine ganze Menge Indiepop-Fans nachhaltig glücklich gemacht hat. „Black Swan“ marschiert mit richtigen Songs voran und versucht das enttäuschende „Beyond The Neighbourhood“ vergessen zu machen. Das gelingt auch. Zum Glück.
Platz 22: Andrew Bird „Noble Beast“
Drauf gepfiffen. Im Frühjahr spitzte Andrew Bird die Lippen und schenkte uns mit „Oh No“ die Aussicht auf den Frühling. „Noble Beast“ – das dazugehörige Album kommt ebenso charmant daher. Mit einer ganzen Menge The Mamas & The Papas, Beach Boys, und The Birds. Folks, hört das Signal, schien Andrew zu flöten. Entspannt euch, geht spazieren. Für die luftige Leichtigkeit der noblen Bestie gebührt Platz 22!
Platz 21: Zoot Woman „Things Are What They Used To Be“
Manche Bands gehören besonders behandelt. Zoot Woman hat trotz der relativ sperrlichen Veröffentlichungen einfach eine enorme Bedeutung für den Indiepop. Sie haben Elektropop hoffähig gemacht und die Brücke geschlagen zwischen den 80ern und dem Jetzt. Für „Things Are What They Used To Be“ haben Johnny Blake und die seinen geschlagene sechs Jahre gebraucht. Das passt. Denn die Zoot Woman-Songs klingen von jeher von langer Hand berechnet und von perfektionistischem Ohr dreifach qualitätsgeprüft. Das 2009er Album, da muss man ehrlich sein, kann sich trotzdem nicht mit „Living In A Magazine“ messen. Dafür fehlt einfach die Innovation und der große Wurf. Aber dank „We Won’t Break“ und „Live In My Head“, die es ja beide schon 2008 zu kaufen gab, gehört Zoot Woman einfach genau da hin. Auf Platz 21.
Die Plätze 20 bis 1 gibt es in den kommenden Tagen. Außerdem der Aufruf zum Spreewelle Peoples Choice Award: Nutzt die Kommentare zur eigenen Stimmabgabe. Was ist Euer Album des Jahres? Was ist euer Song des Jahres?
Gebt bitte die Top 3 an, am besten in Reihenfolge. Dann jag ich das durch SPSS und dann, hui, dann haben wir so etwas wie die demokratischen Jahrescharts!
Auch gute Listen gibt’s hier:
Indiestreber
Stereogum