Manchmal ist Spreewelle-Machen wie Steuererklären. Der heiße Atem der Zeit im Nacken und immer noch fehlen die richtigen, die wichtigen Belege. Fürs Finanzamt gibt man in solchen Fällen eine Schätzung ab. Bei der Spreewelle ging es auch so, dank der nötigen Schätze, die dann doch kurz vor Ende der Frist hereinschneien.
„Don’t be sad, I know you will,
But don’t give up until
True love finds you in the end.“
Dank dieser Schätze bleibt es denn auch bei dem Motto „All Killer No Filler“ und zum runden Geburtstag gibt es 39 Tracks der Zeit. Es waren gleich die ersten drei Tracks der aktuellen Kompilation, die innerhalb weniger Tage ins Postfach flatterten und der Mischung den entscheidenen Drive gaben. Da wäre zunächst Justice. „Audio, Video, Disco“ ist eine kleine Überraschung. Denn eigentlich hat man sich ja langsam ziemlich pappsatt gehört an den röhrenden Synthies und den übergeichtigen Beats aus Frankreich. Erstaunlicherweise ist der Track etwas ganz anderes. Ein ganz fulminanter, extrem spannungsgeladener, energetischer Fetzer, der elegant und bestimmt daherkommt – ohne dabei Justice-typische Hittigkeit vermissen zu lassen oder seine frankophilen Wurzeln zu verschweigen.
Justice – Audio Video Disco
Ähnlich geschmeidig und aus der Ecke melodisch-tanzbar dann Miami Horror, deren technoider Indiepop immer dann am besten gefällt, wenn er sich gefährlich nah am Sellout bewegt. „Moon Theory“ ist jedenfalls hübsch gebastelter, keinefragoffenlassender Pop.
Miami Horror – Moon Theory
Miami Horror ebnet mit ihren geraden Beats die Überleitung zu Theophilus London, Bloggers Hip Hop-Liebling dieser Tage. „I Stand Alone“ ist bei all den bislang durchaus beachtenswerten Tracks des Brooklyners der bislang flüssigste Beitrag, der ohne weiteres auch von Gnarls Barkley aufgenommen hätte werden können.
Theophilus London – „I Stand Alone“ by TheophilusLondon
Und wenn die Spreewelle schon im Hip Hop ankert, was ja nicht gerade häufig vorkommt, kann sie auch endlich mal die Kanye Wests Kolaboration mit Bon Iver spielen, die zwar schon zwei Jahre auf dem Buckel hat, die aber nach wie vor hörenswert ist.
Bon Iver Feat. Kanye West – Lost In The World
Genug gehoppt, werden wir wieder hip. Mit einer Band namens Penguin Prison. „Don’t Fuck With My Money“ erzählt ganz lebensnah die Geschichte eines Multimillionärs erzählt, der sich um die Nachhaltigkeit seines Geldbestandes Gedanken macht. Das Ganze in einem ziemlich Catchy 80s-Gewandt.
Don’t Fuck With My Money by Penguin Prison
Kein Zufall wohl, dass auch die Morning Benders, die direkt folgen und den Strokes-Klassiker „Last Night“ in etwas optimistischeren Farben erklingen lassen, aus Brooklyn kommen, wie übrigens auch Tigercity. Auch hier ein kristallklarer Popsong, mit Fistelstimme und Gutelaune-Refrain.
Little Dragon, diese schwedische Band, von der jetzt alle reden und die bereits mit „Ritual Union“ auf einer der vorherigen Spreewellen zu Gast waren, haben mich mittlerweile vollends überzeugt. Klar, Schweden halt, die machen musikalisch eigentlich nie was falsch. Aber das Besondere an dieser Band ist das etwas verrückte, das ein Stück neben der Spur seiende. All das kriegt man ganz hervorragend mit in „Crystalfilm“, ein Song der fast komplett auf weiteres Instrumentarium verzichtet und den Bass dafür laufen lässt.
Ich hatte schon im März das Gefühl, dass Real Estate aus New Jersey mich länger begleiten werden und sich langsam mit ihrem gefühlvollen, unauffälligen Midtempo-Indiepop ins Herz spielen wird. Mit dem Song „It’s Real“ ist ihnen das geglückt. Nicht nur eine sehr schöne Bass- und Schlagzeugfigur, sondern vor allem ein zum Himmel schreiend schöner Refrain ist das.
Real Estate – It’s Real by DominoRecordCo
Und nun zur Liebling-Deutsch-Platte des Monats. Sie kommt von Thes Uhlmann, der auch ohne Tomte tolle Sachen machen kann. Seine erstes nach sich selbst benanntes Soloalbum ist grade eben erschienen und enthält mindest zwei total super Stücke. Zum Beispiel der vom Titel her eher nicht so megamäßig eingängige Songtitel „Zum Laichen Und Sterben Ziehen Die Lachse Den Fluss Hinauf“, den ich mag, nicht nur weil Lachse drin vorkommen.
Von der Seite Eins sei noch unbedingt „Junk Of The Heart (Happy)“ erwähnt, der neue Song des mittlerweile dritten Studioalbums der Kooks, der mir fast eine ganze Woche gute Laune gemacht hat, morgens auf dem Weg zu Arbeit. Manchmal, liebe The-Bands, sind es die unaufgeregten einfachen Meldodeien, mit denen man sein Ziel erreichen kann.
The Kooks – Junk of the Heart (Happy) by MMMusic
Ach, und dann der Jochen. Scheinbar ist die Spreewelle 75 so ein bißchen der Türöffner. Oben für den verbotenen HipHop, auf Seite 2 für den verbotenen Deutsch-Indiepop. Das verbotene Früchtchen Jochen Distelmeyer hat seine Platte Heavy zwar bereits 2009 rausgebracht, „Nur Mit Dir“ ist mir aber irgendwei erst jetzt offenbar geworden (unbedingt lieber in der Studio-Version hören, als in der Nina-Müller-Koproduktion. „Nur Mit Dir“ ist eines der typischen „Graue Wolken-“ Stücke von Distelmeyer. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Zurück noch mal zu Little Dragon. Bei den Schweden lässt sich ja so ein Bißchen der Trend des Jahres 2011 heraushören. Der Trend ist ein Instrument. Der Bass. Tief, mal verzerrt, mal verspielt. Aber meistens ziemlich alleine. Mit gestolperten Beats und kratzenden Vinylsounds im Hintergrund ist der gute James Blake damit groß geworden. Auch Jamie Woon nutzt die tiefen Töne, um seine Songs state-of-the-art klingen zu lassen. Dabei bewegen sich die Songs in der Mehrzahl in Richtung R&B, mir gefällt es immer dann besser, wenn der Sound doch eher in Richtung Dubstep geht.
Jamie Woon – Slowburning by overmuziek
Schließen wir diesen eh schon wieder viel zu lang gewordenen Eintrag mal ab mit dem Oberhype der Indieblogosphäre. Eine Band namens „Inspired Flight“. Dämlicher Name, aber angenehmes Konzept. Die beiden Tontechniker nehmen sich ihrer Lieblingsstücke des Indiekosmoses an und verbraten meist gleich mehrere von ihnen in einem neu zusammenstrukturierten Song. Wie zum Beispiel bei „Wonderwall“. Na, wer kommt auf die mindestens 5 verwursteten Songs?
Wonderwall Remix by Inspired Flight
Seite 1
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- Justice – Audio, Video, Disco
- Miami Horror – Moon Theory
- Theophilus London – I Stand Alone
- Kanye West – Lost In The World [feat. Bon Iver]
- Penguin Prison – Don’t Fuck With My Money
- The Morning Benders – Last Night
- Tigercity – Solitary Man
- Little Dragon – Crystalfilm
- Fitz and The Tantrums – Don’t Gotta Work It Out (Live)
- Youth Lagoon – Cannons
- AM & Shawn Lee – Dark Into Light
- Carter Tanton – MURDEROUS JOY
- Real Estate – It’s Real
- Papermaps – Reunion
- Peter Licht – Neue Idee
- Thees Uhlmann – Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf
- The Kooks – Junk of the Heart (Happy)
- The Vaccines – If You Wanna
- Norton – Coastline
- Boy – Little Numbers
Seite 2
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- Thees Uhlmann – Lat_ 53.7 Lon_ 9.11667
- Jochen Distelmeyer – Nur mit dir
- Cass McCombs – The Same Thing
- I Can Make A Mess Like Nobody’s Business – Connected
- 13 & God – Armored Scarves
- Jamie Woon – Slowburning
- Poolside – Harvest Moon
- E – Just the Two of Us (Bill Withers cover)
- Bright Eyes – Ladder Song
- Richard Walters – True Love Will Find You In The End (Daniel Johnston cover)
- Spain – Our Love Is Gonna Live Forever
- Apparat – Goodbye
- The Antlers – Rolled Together
- Inspired Flight – Wonderwall Remix
- Feist – How Come You Never Go There
- Bright Eyes – Ladder Song
- Shearwater – Wedding Bells Are Breaking Up That Old Gang of Mine
- Adele – Make You Feel My Love
- Agnes Obel – Riverside
- Bon Iver – I Can’t Make You Love Me
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