Konzentration, Bereitschaft zum Unverständnis und ein geduldiges Gehör brauchte man schon auf den letzten Radiohead-Platten. Thom Yorkes Zwischenschieber „Eraser“ macht seinem Titel alle Ehre: Am Ende weiß man nicht mehr, was man am Anfang dachte.
Was in den ersten 20 Sekunden auf Eraser passiert spricht Bände: Zwei gesampelte Klavierakkorde erklingen, nacheinander, dann zwischeneinander, dann verschoben, immer abgehackt, aber nie übereinander. Die Struktur erschließt sich einem nicht. Aber keine Angst: Das ändert sich nicht. Weder in dem Moment als der gleißend reduzierte Elektrobeat einsetzt, noch als Mr York seine Feinfaserige Stimme erhebt oder die Akkordfolge plötzlich aufhört und sich kurz senkt, um wieder ganz von vorne zu beginnen. Beim ersten Durchhören des Titeltracks hat man definitiv nur 3 Prozent des Stückes erfasst. Das der Head Of Radio ja dazu auch noch einen bestimmt vielsagenden Text sang, dass die Verzerrung bei 3:55 an die Nintendo-Konsole erinnert und dass das bestimmt einen tieferen Sinn hat – auf solche Gednkane kommt man erst bei der zweiten oder dritten Sitzung.
Kurzum: „Eraser“ ist allerhärtester Stoff. Man muss sich auf die Platte einlassen, man muss ihr viel Respekt und Offenheit entgegenbringen und sie eignet sich definitiv nicht, um das Eis bei einer etwas verkrampften Grillparty zum Schmelzen zu bringen. Aber das alles lohnt sich.
Bei all der melodiösen und rhythmischen Verschachtelung, die einem der Longplayer immer wieder ohne Vorwahnung in den Weg stellt, gibt es bei längerer Spieldauer auch immer wieder Momente, die man auch ohne Partitur und angespannten Gesichtsausdruck als universell und eben nicht universitär schön bezeichnen kann. Zum Beispiel der Beat und der Bass auf „Black Swan“ – ein Song wie zwei Zahnräder. Andauernd klickt und klackert es, doch irgendetwas hält die multiplen Klänge immer beisammen. Im Zweifel ist es Mr. Yorke himself.
In der Gesamtbetrachtung ist man sehr froh und empfindet es als völlig richtig, dass „The Eraser“ mit „nur“ neun Tracks bestückt ist. So kann man sich nach kurzer Zeit nämlich wieder an den Anfang begeben, um neues in den Neun zu entdecken.
Es empfiehlt sich trotzdem sich nach 45 Minuten Spielzeit mal kurz mit – sagen wir – Blink 182 abzukühlen, bzw. zu neutralisieren.
Bewertung: 9/10