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Endlich Alltag. Zurück im Regelwerk kümmert sich die 123. Spreewelle nach all den Feierlichkeiten um Brot und Butter: Die besten 40 Tracks für einen glühenden August. Und da gibt es einiges Nachzuholen. Die Chemical Brothers, Ratatat, die Libertines – mit überzeugender Zielstrebigkeit kündigen Wellen-Größen ihre neuen Alben an. Und trotzdem – Spreewelle Nr. 123 ist alles andere als Dienst nach Vorschrift. Summervibes sind stilprägender Kompilationsfaktor. Und wa habt Ihr davon? Den Soundtrack für den Sommerurlaub.

 

Westcoast, Leute!

Westcoast – das ist auch so ein sonderbares Genre. Eigentlich ist kein echtes Genre, sondern eher eine geopolitische Verortung von Musik. Bekannt ist es uns 70er Kindern vor allem durch den Hiphop der 90er. „Westcoast“ – das wurde ab und an stolz und kontextlos in Rapsongs gegrunzt. Gleichzeitig fasst dieser Begriff aber auch eine musikalische Ära so Anfang der 70er zusammen. Die sonnendurchfluteten Songs von Fleetwood Mac, Rupert Holmes und irritierenderweise Chicago entsprachen dem kalifornischen Lifestyle seiner Zeit und zeichnen sich durch den Einsatz von Bläsern, zurückgelehnter E-Gitarre und eine gewisse Grooviness aus. Easy Listening ist da gar nicht so fern, aber mit Easy hat das – zumindest aus Muker-Perspektive herzlich wenig zu tun. Kann die Musik ja nichts dafür, dass sie so melodisch ist – unter der Haube hat der auch als Yachtpop bekannte Musikstil eher was mit Jazz zu tun als mit Pop. Ganz schön lange Einleitung für die Rahmenhandlung der 123. Der großartige Sampler „Too Slow To Disco“ inspirierte jedenfalls die Dramaturgie des August-Samplers. Dafür verantwortlich ist Marcus Liesenfeld aka DJ Supermarkt. Der Herr hat früher für Stereo Total Platten aufgenommen, legt formidabel auf und hat – als wäre es gescripted – ein Weingut in Frankreich. 4 Tracks verdanken wir seinem feinen Händchen. Jeweils der erste und der letzte Track von Seite 1 und 2 stammen von besagtem Mixtape, das sich auch als Vinylanschaffung lohnt.

 

 

Mehr Airplay für Paolo Nutini

Das hat was, oder? Da schiebt man aus einer Mischung aus Stolz und Verlegenheit einfach mal so drei Cover-Alben in die Spreewelle-Zählung und beginnt den ersten regulären Sampler mit einem Oldie. Statt „Oldie“ oder „Westcoast“ war das Arbeits-Genre für erwähntes „Leave Me Alone Tonight“ allerdings „Sunny“. Denn trotz unterschwelligem Kulturauftrag geht es der Spreewelle doch auch und vor allem darum, ihren Hörern einfach einen guten, saisonalen Lebens-Soundtrack zu bieten. Und wenn nicht alles schief läuft, beschallt eben jener dann den sonnigen Weg zur Arbeit, die Weinschorle zum Feierabend und die laue Sommernacht auf dem Balkon. Dieser Denke ist es zu verdanken, dass es auch bei Track 2 weniger um Aktualität als um Lebensgefühl geht. Der schon oft auf der Spreewelle vertretene Paolo Nutini hat schon 2006 ein Track mit Namen „New Shoes“ veröffentlicht. Herrlich oberflächliche Lyrics tanzen da mit interessanten Harmonien. Ein Feel Good Track, der völlig zu unrecht nicht zu Tode gespielt wurde.

 

 

Never change a winnig sound

Jetzt aber. Zeitgeschehen. Ratatat. Tatatat, möchte man hinzufügen. Die Instrumental-Indietroniker veröffentlichten am 17. Juli ihr neues Album „Magnifique“. Und allem Anschein nach ist es auch so. Die Vorabsingle „Abrasive“ klingt weniger geröllig als sonst. Eher klingt es nach der Daft Punkt-Gitarre der 00er, die Liebeskummer hat.

 


RATATAT – ABRASIVE von ratatatmusic

 

Und gleich weiter mit den Vorschlaghämmern. Die Chemical Brothers sind auch draußen mit einem neuen Album. Single „Go“ macht wenig Experimente, man holte sich sogar erneut Q-Tip als (Für-)Sprecher. Das hat schließlich schon bei „Galvanize“ ganz gut geklappt. Der Beat dazu ist auch alles andere als neu. Er erinnert frappierend an No Doubts „Hella Good“, meaning: Der simpelste aller Grooves, extra etwas unsauber gespielt auf einem schwitzendem Drumset. Egal. „Go“ ist „Geil“.

 

 

Discokugel, abgedimmt

Eine Sommerprise Souldisco darf natürlich auch nicht fehlen. Luftig präsentiert von Roosevelt. Marius Lauber kommt aus Köln und schafft es immer wieder verträumte Melodien in ein knackiges Glitzerkorsett zu stecken. „Night Moves“ heißt die aktuelle Single und damit der Beitrag zur letzten regulären Spreewelle. Hier gibt’s die B-Seite.

 

 

Deutlich älter ist „Nightdrive With You“ – das hört man der French Disco Nummer aber überhaupt nicht an. Im 2008 entstandenen Fear Of Tigers Remix geht es noch einmal ein paar BPM nach oben. Musik zum Aufkurbeln des imaginären Verdecks, bzw. zum in den Sonnenuntergang brausen.

 

Anoraak – Nightdrive With You (fear of tigers remix)

 

„She’s a mania… äh?“

Russland. Ein Land aus dem so ca. 0% aller bisherigen Spreewelle-Interpreten kommen. Das ändert sich nun mit Tesla Boy. Er läutet mit „Rebecca“ auf der ersten Seite eine sehr kurze 80er-Jahre Phase an. Der Beat? Die Harmonien? Ja, kennt man irgendwoher. Aber diese Ähnlichkeit muss von den Synthie-Poppern hörenden Ohres in Kauf genommen worden sein. Manisch!

 

Tesla Boy – Rebecca

 

Eine gute Überleitung zu MSMR. Das amerikanische Popduo – bekannt vor allem für „Hurricane“ – hat just ihr zweites Album veröffentlicht. „Secondhand Rapture“ hat die Messlatte schon ziemlich hoch gehängt. Aber was bislang von „How Does It Feel“ durchgedrungen ist, klingt nicht verkehrt. Etwas weniger dramatisch aber nicht weniger catchy jedenfalls ist „Criminal“.

 

 

Seite 1 neigt sich mit neuem Material von Pharell, Freedom Fry und den Libertines, sowie Neuentdeckungen wie Lianne La Havas und Zwanie Jonson dem Ende entgegen.

 

Lianne La Havas – Unstoppable

 

So cool geht Southern Rock

Zum Finale geht es noch mal in die Südstaaten und nach Kalifornien. Dorthin halt, wo die Sonne scheint. Alabama Shakes ist eine Band die mit ihrer Musik eigentlich eine Musikrichtung vertritt, die auf der Welle wenig zu suchen hat. Als Southern Rock könnte man den bluesigen Sound der aus Alabama stammenden Kombo nennen. Und das klingt vom Wort her eher abtörnend. Aber nachdem schon „Hold On“ und „Alway Alright“ mich begeistert haben, ist es mit „Hang Loose“ nicht anders. Der Song ist sowas von lässig, dabei gleichzeitig so kraftvoll und erdig, dass man nicht anders kann, als ihn zu lieben.

 

Alabama Shakes – Hang Loose

 

Im Flow des Sommers

Die zweite Seite fängt – nach Westcoastintro – sehr sphärisch an. Weil es so gut passt wurde dafür die nicht mehr ganz neue Empire Of The Sun– Single Without You in Position gebracht. Aber dann kommen in enger Folge spannende, sonnige Vibes von lauter Newcomern. Die raggaeeske Coolness von einer Band namens M_I_L_K zum Beispiel,

 

M.I.L.K. – If We Want To

 

eine intelligent-trippelnde Liebeserklärung von All We Were namens „I Wear You“ oder die eine ähnliche Sprache sprechende Hochglangproduktion „Re.Up“ von Rationale (dabei geht es entgegen erster Vermutungen trotz des Refrain „Waiting For The Re-Up“ nicht um die verzweifelte Bitte an die illegalen Ecken des Netzes zum Wiederhochladen einer schmerzlich vermissten TV-Episode).

 

 

Ferner laufen…

Natürlich ist auch Platz für richtig handwerkliches Songwriting auf der zweiten Seite. So zum Beispiel die dringende Akustik-Empfehlung Dotan Harpenau. Der in Jerusalem geborene Holländer hat einen sehr angenehmen unaufgeregte Art, seine Liebe und sein Leiden vorzutragen. Zum Beispiel auf „Seven Layers“. Auch Bonaparte sind mit dabei – in ungewohnt ruhiger Pose. Und Honig. Und Chilly Gonzales. Habt einen traumhaften Sommer!

 

— Coverlocation: Brandenburger Tor, Foto: Charly —

 

Seite 1

 

[unordered_list style=“number“ number_type=“circle_number“ animate=“yes“]
  • Dave Raynor Leave Me Alone Tonight
  • Paolo Nutini New Shoes
  • Ratatat Abrasive
  • The Chemical Brothers Go
  • Roosevelt Hold On
  • Anoraak Nightdrive With You (fear of tigers remix)
  • Tesla Boy Rebecca
  • MS MR Criminals
  • Dance Yourself To Death We Are All Made of Stone
  • Pharrell Williams Freedom
  • Lianne La Havas Unstoppable
  • Zwanie Jonson Golden Song
  • Freedom Fry 21
  • The Libertines Gunga Din
  • The Apache Relay Katie Queen of Tennessee
  • San Cisco Music Too Much Time Together
  • Alabama Shakes Hang Loose
  • Kitty, Daisy & Lewis Messing With My Life
  • Nathaniel Rateliff Howling At Nothing
  • Eric Kaz Come With Me
[/unordered_list]

Seite 2

 

[unordered_list style=“number“ number_type=“circle_number“ animate=“yes“]
  • Byrne & Barnes Never Gonna Stop Lovin‘ You
  • Empire Of The Sun Without You (New Version)
  • M_I_L_K If We Want To
  • All We Are I Wear You
  • Tom Misch Home
  • Rationale Re.Up
  • Chet Faker Talk Is Cheap
  • Mayer Hawthorne Don’t Turn The Lights On
  • Future Islands Haunted By You
  • Abby Time Is Golden
  • Dotan 7 Layers
  • Ben Howard She Treats Me Well
  • Nate Ruess (Feat. Beck) What This World Is Coming To
  • Sage In Between
  • FRANCES Grow
  • Bonaparte She Goes
  • Honig Golden Circle
  • Chilly Gonzales Advantage Points
  • Matthias Vogt Trio Such A Shame (Talk Talk)
  • Don Brown Shut the Door
[/unordered_list]